Werther

2003 - Staatstheater am Gärtnerplatz
Dirigent: Constantinos Carydis, Ausstattung: Caroline Neven Du Mont



AZ, 8.7.2003
"Der Romantiker will diese oder keine!"

Trotz des Handicap von der Wiener Uraufführungs-Übersetzung von Max Kalbeck gelang es der Regisseurin Julia Riegel, eine Menge an Atmosphäre zu retten. Das lag vor allem daran, dass sie sich ganz auf das Drama der beiden Hauptakteure konzentrierte. Energisch widerstand sie der Versuchung, dem Dirigenten durch übermütigen Aktionismus ins Handwerk zu pfuschen.(...) Die den Jahreszeiten nachempfundenen Bühnenbilder von Caroline Neven Du Mont unterstützten sinnvoll das Vorhaben der Regie, "Werther" als emotionales Kontrastprogramm zu Kälte unserer Ironie-belasteten Event-Kultur zu präsentieren, ganz ohne böse Hintergedanken und garantiert gefühlsecht. (...)
Und so gab es am Ende feuchte Taschentüchlein, Riesen-Jubel und keinen Zweifel: Das Gärtnerplatztheater hat einen neuen Hit.
Volker Boser



Bayerische Staatszeitung, 11.7.2003
"Kammerspiel der Gefühle"

(...) die Neuinszenierung jetzt am Theater am Gärtnerplatz bewegte mit der Bedingungslosigkeit des Werther-Gefühls auch eine neue Generation.
Das war nicht nur der Musik dieses "Drame lyrique" zu danken (...). Es war das Bühnengeschehen, ein Kammerspiel der Gefühle, kongenial der feinfühligen Partitur entsprechend, das schier soghaft in Bann schlug. Caroline Neven Du Mont schuf ein helles Rund, an den Wänden Umrisse einer deutschen Kleinstadt, wie Wetzlar der Wertherzeit, Idyll eines unversehrten Lebens. Später wandelte sich der reale Spielort in einen Seelenraum, öffnete sich, entschwebte; zuletzt ein bedrohlich riesiger Christbaum mit Festglanz über Charlottes Trostlosigkeit (...).
Julia Riegel inszenierte mit leichter Hand die Genrebilder, die Engstirnigkeit der Bürgerwelt, sorgfältig einstudiert die Unbefangenheit im Miteinander der Kinder, Erwachsenen, Gehenden, Ankommenden. Dezent wird der nur noch "Klopstock" stammelnde und Dichtungs-süchtige Brühlmann zum "alter Ego" von Werther stilisiert, auch Werther als Kind taucht auf; doch diese surrealistischen Einsprengsel bleiben unauffällige aporte Zugabe.
Die menschliche Wahrheit der Liebestragödie lässt Julia Riegel unverfremdet erleben. Wundersam anrührend, wie sich bei der erotisierenden Mondscheinmusik ein Tanz entspinnt, aus höfisch geziertem zu dezent Intimen gesteigert, wie Charlotte vom Mädchen zur Frau erwacht, in der Frustrierten Ungelebtes glimmt, die Gefühle explodieren: Ann Katrin Naidu hat Ausdrucksfülle im Spiel (...). Ein Psychogramm von mädchenhafter Scheu, (...) ein Geschöpf aus Nerven und Qualen, ein sich selbst zerstörendes Opfer der Wohlanständigkeit.(...) Harrie van der Plas (...) ein feuriger Verliebter der Sturm- und Drangzeit, ein todessüchtiger Narziss.
Eine große Aufführung, die für die beiden jungen Szenikerinnen trotz ihrer werknahen Fabulierlust, trotz ihres Mutes zu heute verpönten "Schönheit" Auftakt zu einer glanzvollen Karriere sein sollte.
Klaus Adam



mitteloge.de, 13.9.2003
"Werther"

Sehr wohltuend für Augen, Herz und Ohren, diese Neuproduktion des Münchner Gärtnerplatztheaters! Das schwelgerische Drame lyrique (...) war perfekt in Szene gesetzt von Julia Riegel. Caroline Neven Du Mont hatte die ersten Bilder vor einem großen dunkelblauen Himmelhintergrund stattfinden lassen. Den Innen- und Außenraum begrenzte ein schlichter Prospekt, auf den Häuser gezeichnet waren. Bäume, ein wenig Mobiliar deuteten den jeweiligen Spielort an. Erst im letzten Bild ändert sich diese trauliche Idylle: Der Prospekt wird hochgezogen. Wir sehen eine kahle Fläche, auf der in dichtem Schneefall Johann die letzten Blumen sucht und den sterbenden Werther findet.
Dieser klar gegliederte Bühnenraum ohne überflüssigen Schnickschnack ebenso wie ohne visuelle Provokationen gibt den Sängern in jeder Beziehung Raum zu Entfaltung. (...)
Ein schöner Abend, an dem man sich beglückt zurücklehnte und gebannt mit Augen und Ohren dem Geschehen auf der Bühne folgte.
Jakobine Kempkens



Traunsteiner Tageblatt, 4.4.2005
"Leiden an der großen Liebe"

(...) Seit Juli 2003 läuft die von Julia Riegel (Regie) und Caroline Neven Du Mont (Ausstattung) mit glücklicher Hand, Geschmack und Sinn für die feine Form besorgte Inszenierung. (...) Über dem lichten, eine abgeschiedene Ländlichkeit umschließenden Kulissen-Halbrund, der dörfliche Enge ebenso wie seelisches Gleichgewicht der Bewohner visualisiert, (...) wölbt sich von Anfang an ein bedrohlich tintenlastendes Himmelblau. (...)
Ein durchweg junges Ensemble (...) wird von zwei Protagonisten angeführt, die sich sehen und hören lassen können: die Charlotte der unprätentiös, im Ausdruck des Empfindens klaren, bildhaft schönen Ann-Katrin Naidu und der an seiner großen Liebe leidende und physisch scheiternde Werther des kultiviert und glaubhaft agierenden lyrischen Tenors Volker Bengl, der entfernt an die besten Jahre eines Rudolf Schock erinnert.(...) Das Publikum dankte mit herzlichem Beifall.
Hans Gärtner

 
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