Die lustigen Weiber von Windsor

15. Oktober 2006 - Staatstheater am Gärtnerplatz
Dirigent: Adrian Müller, Ausstattung: Caroline Neven Du Mont
Choreografische Beratung: Philip Taylor



"Die tz-Rose der Woche"

13.-20. September wird vergeben an Julia Riegel (Regie) , Adrian Müller am Pult und Elaine Ortz Arandes als Frau Fluth für "Die lustigen Weiber von Windsor" (Gärtnerplatz)
Die tzt-Rose wird jede Woche für hervorrragende Leistungen auf kulturellem Gebiet vom Feuilleton der tz vergeben




Opernwelt, Dezember 2006

Zur Ouvertüre wähnt man sich im falschen Stück: Ist das nicht der "Sommernachtstraum", der da auf einer dem Shakespeare´schen Globe-Theatre nachempfundenen Bühne (Caroline Neven Du Mont) gespielt wird - unter lebhafter Beteiligung des Volkes auf den Rängen? Doch auf einmal kommt es zur Revolte. Die Schauspieler - allesamt männlich, auch in den Frauenrollen, wie im Elisabethanischen Theater üblich - werden von der Bühne gefegt und ein Transparent entrollt: "Heute - Die lustigen Weiber von Windsor - mit echten Weibern". Was für ein schöner ironischer Auftakt. Den ganzen ersten Akt hält Julia Riegel dieses Spiel auf zwei Ebenen durch, indem sie die etwas geschwätzigen originalen Dialoge radikal einkürzte, aber um Shakespeare-Zitate und Querverweise bereicherte. Dann verschwinden allmählich imer mehr Teile des Theaters auf dem Theater, bis am Ende nur noch ein Rundhorizont mit einer angedeuteten Aue übrig bleibt. Pralle Komik und Poesie, Travestie und tief empfundenes Gefühl haben nebeneinander Platz (...).
Die Sänger haben sichtlich Spaß an ihren Aufgaben (...). Florian Simson (Junker Spärlich) und Johannes Beck (Dr. Cajus) geben ein herrliches tuntiges Paar, das dann auch am Ende zusammenfindet, wie überhaupt im Park von Windsor die Geschlechtergrenzen erneut verwischen und sich vor allem die männlichen Choristen mit Lust in ihren prächtigen Frauenkostümen (Caroline Neven Du Mont) bewegen und Männer wie Frauen auch musikalisch auf hohem Niveau agieren.
Klaus Kalchschmid



dpa, 16.10.2006
"Gärtnerplatz-Theater brilliert mit Die lustigen Weiber von Windsor"

Spielfreude, Witz und ein musikalisches Feuerwerk waren am Sonntagabend die Erfolgsgaranten im Münchner Gärtnerplatztheater. Die Premiere von Otto Nicolais Oper "Die lustigen Weiber von Windsor" geriet zu einem herzerfrischenden Auftakt der neuen Saison. Die Regisseurin Julia Riegel würzte den Klassiker um Sir John Falstaff und seine vergeblichen Liebesmühen mit etlichen Shakespeare-Texten, die sie als Dialoge in die Handlung einstreute.
Das von Caroline Neven Du Mont entworfene Bühnenbild zeigt Theater im Theater in der Zeit des berühmten englischen Dramatikers. Das Publikum bedankte sich mit herzlichem Applaus für einen kurzweiligen Bühnenabend, bei dem vor allem die "Weiber" Elaine Ortiz Arandes und Martina Koppelstetter sowie Dirigent Adrain Müller brillierten.
dpa/lby



tz, 17.10.2006
"Hier hat Shakespeare das Wort"
Julia Riegel wertet am Gärtnerplatztheater "Die lustigen Weiber von Windsor" auf


Aus einem Himmelfahrtskommando einen Treffer gemacht: Bravo für die Regisseurin Julia Riegel und ihren Dirigenten Adrain Müller!
Wer, der heute überhaupt eine deutsche Spieloper von 1849 anfasst, riskiert es, sie nicht in einer Disco, in der U-Bahn oder auf dem Mond spielen zu lassen? Das olle Ding muss doch erst mal von sich weggebracht und woanders neu aufgepustet werden!
Genau das geschieht bei der Saisoneröffnungspremiere nicht: Julia Riegel und Müller gehen nicht weg von Stück, sondern steigen tief ein, erschließen überraschende Spielqualitäten aus der Mitte des Stücks.
Otto Nicolais "Die lustigen Weiber von Windsor" spielen - wieso auch nicht?- in der Shakespeare-Zeit, wo sie hingehören, und der animierte Zuschauer ist, wie sich zeigt, durchaus in der Lage, die Sache trotzdem auf sich und aufs Heute zu beziehen.
Den Falstaff-Stoff aus der Hand von Nicolai hatte man bisher weit unter Verdis Version abgespeichert. Hier erfolgt die Ehrenrettung. Schon nach den ersten Takten ist klar, wie behutsam, genau und intelligent Adrian Müller die Musik anfasst. Sie steckt voller Witz, tänzerischer Impulse, lyrischem Schmelz. Das alles blüht, mit einem blendend disponierten Orchester und einem schlagkräftigen Chor auf. Müller vermag auch pointiert zu zeigen, dass die vielen musikalischen Zitate, etwa von Mendelssohn, Weber, Bizet, Wagner, von Nicolai nicht "abgeschrieben", frech benutzt, sondern immer als bewundernde kleine Hommages eingesetzt sind.
Und die Regie, immer eng am Shakespeare, von Caroline Neven Du Monts formgebenden Globe-Theatre bis zu den pfiffig eingestreuten Shakespeare-Zitaten quer durch alle Stücke, packt den Zuschauer mit einer ausgefeilt, ja abgefeimt genauen Komödie. Wie immer, wenn Philip Taylor, in ein Operngeschehen eingreift, wirkt seine choreografische Unterstützung Wunder.
Elaine Ortiz Arandes als vehemente Spielmacherin Frau Fluth mit glitzerndem Sopran und Martina Koppelstetter (Frau Reich) in dunklen, bedächtigen Tönen machen bei all ihrer Verschiedenheit die Ebenen des Spiels von Schein und Sein auch durch ihre Körpersprache deutlich. Zwischen Frau Fluth und ihrem eifersüchtigen Ehemann (Torsten Frisch, besonders komisch in seiner Verkleidung mit Bach-Perücke und Barock-Habitus) knistert´s noch, bei Reichs weniger, aber die Koppelstetter zeigt witzig und fast rührend, wie sie sich selber langsam wieder erotisch für möglich hält. Alles bewirkt duch den pfiffig-jovialen Falstaff (hier in mächtiger Gestalt und Stimme von Jörg Simon).
Ganz unverstellt und reinstimmig die erste Liebe (mit Balkon-Szene) von Fenton (Volker Bengl) und Anna (Thérese Wincent). Annas Grotesk-Liebhaber Dr. Cajus (Johannes Beck) und Junker Spärlich (Florian Simson) nehmen die Tatsache der nächtlichen Kostümverwechslungen als nicht unwillkommen hin und nehmen einander. Vieles ist möglich unter Männern und Frauen und Männern und Männern - und bei Shakespeare sowieso.
Beate Kaiser



Münchner Merkur, 17.10.2006
"Schlag nach bei Shakespeare"
Aufgekratzt: Nicolais "Lustige Weiber von Windsor" am Gärtnerplatztheater


Freie Berufsausübung? Oder sogar Wahlrecht? Totale Zukunftsmusik war das im 16. Jahrhundert, als weibliche Selbstverwirklichung allenfalls im Haus/ am Herd stattfand - was heute gerade noch Ms. "Eva-Prinzip" Herman gutheißen dürfte. Doch es rumorte, zunächst wie immer in der Kunst, wo Shakespeare in den "Lustigen Weiber von Windsor" eine handfeste Emanzipations-geschichte aufrollte.
Genau hier setzt Regisseurin Julia Riegel an, die bei Otto Nicolais Veroperung Biedermeier-Verdacht gar nicht erst aufkommen lassen will. Vielmehr interessiert sie sich für jene Revolution, als seinerzeit Desdemona erstmals nicht von einem Mannsbild mit Röckchen, sondern tatsächlich von einer Frau gegeben werden durfte. Das Nachschlagen bei Shakespeare liegt nahe - und beschert dieser Gärtnerplatz-Premiere viele aufgekratzte, hintergründige Momente.
Gewiss mag der Einfall des "Theaters auf dem Theater" gut abgehangen sein, hier freilich entfaltet er durchaus Logik. "Heute mit: echten Weibern!" prangt es auf einem Transparent, bevor sich Frau Fluth und Frau Reich samt Tochter Anna kampfeslustig in die Arena des Globe-Theatres abseilen. Den Männern, eine armselige Palette vom gespreizten Gockel (Herr Fluth) über den Rosaroten mit Colliergriff (Spärlich) bis zum schweißigen Ekelpaket (Falstaff), so signalisiert der Angriff, geht´s ab jetzt schlecht. (...)
Augenzwinkernden Humor hat Julia Riegel, Sänger kann sie sichtlich motivieren, überdies ist sie musikalisch. Der Rückgriff auf Shakespeare steht Nicolai also gut, die pikante Vermischung der Geschlechter diesem Hause ohnehin. Und wenn im Graben auch noch Adrian Müller steht, der einem Orchester in Hochform zwischen Klangzaubereien, moussierenden Rhythmen, rasendem Furioso und nie hemdsärmeliger Dramatik alles abverlangen kann, dann darf sich das Team getrost auf die Schultern klopfen: Saisonstart gelungen.
Markus Thiel



SZ, 16.10.2006
"Emanzipationsfarce"

Julia Riegel inszeniert "Die lustigen Weiber von Windsor" von Otto Nicolai als durchaus hinreißend durchgeknallte Emanzipationsfarce im Ambiente der Vorlage von Shakespeare. Furioses Zentrum einer von Adrain Müller aus dem Graben toll befeuerten Aufführung ist Elaine Ortiz Arandes.
etho

 
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